Braucht die Politik heute noch Werte oder ist die Diskussion darüber vergeudete Zeit?
Neben den politischen Werten wie Diskriminierungsverbot, Glaubens- und Meinungsfreiheit oder den Menschenrechten werden auch die gesellschaftlichen Werte aktuell nicht nur in Frage gestellt, sondern auch immer weniger beachtet. Vor allem die Geringschätzung der gesellschaftlichen Werte wie etwa Höflichkeit, Verlässlichkeit, Fairness, Rücksichtnahme, Toleranz und Ehrlichkeit ist mittlerweile nicht nur im politischen Alltag salonfähig.
Wie weit gehen wir?
Wir sind auf der Suche nach einer anderen, vielleicht neuen und besseren Form der politischen Praxis. Wir wünschen uns Personen, die alles anders machen in einer Welt, die uns aufgrund von Massenmigration, Pandemie und Arbeitslosigkeit bedrohlich erscheint. Unsere Sorgen und Ängste lassen uns über Rüpelhaftigkeit hinwegsehen und lassen zu, dass wir diese Aktionen nicht nur tolerieren, sondern auch als zielführend empfinden.
Sind Werte altmodisch oder doch notwendig?
Machen wir uns die Bedeutung von Wert und Haltung bewusst. In einer so vielfältigen Gesellschaft sind gemeinsame Werte wie Zuverlässigkeit, Verantwortung und Ehrlichkeit, ein wichtiger Boden. Sie halten unsere Gesellschaft zusammen und unterstützen auch in der Lösung von Konflikten und beim Verstehen von unterschiedlichen Standpunkten.
Wie kommt es nun dazu, dass vielen diese Werte nicht mehr wichtig erscheinen?
Menschen beteiligen sich konstruktiv am politischen Leben, wenn ihre Grundbedürfnisse nach Sicherheit, Schutz und Wohlstand abgedeckt sind. Dabei stellt für sie schon das Gefühl der fehlenden Sicherheit eine bedrohliche Situation dar. Migrant*innen, die Globalisierung oder die Digitalisierung verunsichern stark. Der Schritt zurück in alte Gewohnheiten und Traditionen, die teilweise auf Kosten anderer gehen, geben dabei vermeintliche Sicherheit.
Was kann jede*r Einzelne – was können Sie, was kann ich tun?
Wir müssen uns von den Inhalten in den Medien emanzipieren, einiges hinterfragen und medienkritische Aufklärungsarbeit leisten. Wir können in unserer Arbeit, an unseren Bildungsorten und im privaten Umfeld eigenem Denken und Spüren und überlegten Worten Raum geben, anstatt den bequemen Weg zu wählen und Parolen zu übernehmen. Unser Daumen nach oben oder nach unten greift zu kurz für ein demokratisches Miteinander. Das Leben von Werten und das Zeigen von Haltung – auch wenn es manchmal nicht einfach ist – bilden für mich demokratische Basisleistung.